Radio Kunterbund - Sendung zum Thema Diskriminierung
Interview mit Saphir Ben Dakon
Das Radio Kunderbund, eine Sendung des Berner Radios RaBe hat mich zum Thema Diskriminierung interviewt. Meine Aussagen finden sich nachfolgend schriftlich und in Ton. Das Interview beginnt dem Zeitstempel 5:15.
Ich danke Alex und dem Ganzen Team für die Einladung!
Was ist Diskriminierung?
"Diskriminierung ist eine Handlung, welche in Wort und Verhalten passieren kann, die einzelne Personen oder Personengruppen hinuntersetzt und dies aufgrund von Merkmalen wie zum Beispiel Geschlecht, Behinderung, Hautfarbe. Und diese Art der Herabsetzung passiert aufgrund von Stereotypen und Vorurteilen und ist nicht eine Reaktion auf eine Tat eines Menschen. Diskriminierung ist dabei ein Mechanismus, welcher darauf abzielt, die tatsächlichen und fiktiven Unterschiede als "Waffe" zu benutzen, um Menschen aus der Gesamtgesellschaft auszuschliessen und sie an der Teilhabe zu hindern. Aber sie trennt auch einzelne Personengruppen voneinander. Diskriminierung passiert in allen Lebensbereichen. Man kann sie allerdings einteilen, in die gesellschaftliche Ebene, wenn es um strukturelle Diskriminierung geht, aber man kann sie auch auf der persönlichen Ebene feststellen, wenn zum Beispiel zwei Personen oder Personengruppen miteinander sprechen. Aber es gibt auch internalisierte Diskriminierung, wenn Opfer von Diskriminerung die Dinge, welche andere über sie sagen, selbst glauben. Ich erlebe Diskriminierung als Mensch, als Frau mit Behinderungen. Es kann mir passieren, dass Leute diskriminierende Aussagen machen im öffentlichen Raum, die michc gar nicht kennen. Es kommt allerdings auch im persönlichen Umfeld vor. Auch Familie und Freunde können diskriminierend sein. Mit Behinderungen ist es oft so, dass Personen vermeintliche Komplimente machen möchten, aber sie verpacken Diskriminierung. Ein Beispiel von solcher Diskriminierung ist "Inspiration Porn". Dies ist eine Form der Diskriminierung, in der Menschen mit Behinderungen objektiviert werden und für alltägliche Dinge, zum Beispiel an der Bushaltestelle stehen, als besonders inspirierend bezeichnet werden. Das Gegenteil ist Pity Porn. Wenn Leute zum Beispiel zu mir sagen, es tut mir sehr leid, wie Sie leben müssen. Und es ist toll, dass sie trotzdem hier sind. Der Überbegriff für diese Diskriminierung heisst Ableismus. Das führt dazu, dass Menschen gar nicht mir zuhören, sondern sie haben während der Konversation Bilder im Kopf, wie das Leben mit Behinderungen ist und wie Menschen mit Behinderungen zu sein haben. Das macht es teilweise schwierig, mit Menschen in einen Dialog zu kommen. Denn, was kann man auf solche Aussagen sagen? Ich sehe es nicht als meine Lebensaufgabe, die Leute zu bilden. Sich mit Diskriminierung auseinanderzusetzten ist Eigenverantwortung und ich habe im Schnitt genau so viel Lebenszeit wie andere Personen auch und daher ist es nicht meine Aufgabe, jeder einzelnen Person eine kostenlose Lektion in Diskriminierung zu geben. Ich wäge immer ab, was ist der Aufwand und was ist der Ertrag.
Wann und wie passiert Diskriminierung?
Es ist natürlich so, dass wenn Leute das Gefühl haben, eine Person oder ihr Leben sei minderwertig, das passiert dann nätürlich, dass der Respekt in der persönlichen Interaktion fehlt. Dort muss man aber ganz klar sagen, dass dieser Umstand auch mit anderen Faktoren zusammenhängen kann. Die Behinderung ist nur ein Faktor. Intersektionalizät scheint mir hier sehr wichtig. Ich bin auch eine Frau mit Behinderungen, meine Familie, wie man am Namen erkennen kann, lebt mit einer Migrationsgeschichte. Da gibt es noch weitere Faktoren, aufgrund derer diskriminiert werden kann. In der Praxis ist dann die Unterscheidung schwierig. Nehmen mich die Leute nicht ernst, weil ich 1.50m bin oder weil ich eine Behinderung habe, mit Migrationsgeschichte lebe oder eine Frau bin? Ich merke das auch, wenn ich an Anlässen teilnehme. So werde ich oft auf meinen Namen angsprochen und dass man deshalb "weniger" von mir erwartet. Diskriminierungsformen können sich also auch gegenseitig befruchten und es schwieriger für einen Menschen machen, an der Gesellschaft teilzuhaben. Darauf sollte man ein Augenmerk legen. Denn ich finde es sehr schwierig, wenn man alles auf die Behinderung zurückführt und der Mensch ist dann seine Behinderung und die Behinderung ist dann der Mensch. Das ist genau das, was wir nicht wollen, weil es das ist, was Diskriminierung macht.
Was wünscht du dir in Bezug auf das Thema?
Ich würde mir wünschen, dass wir unsere Idee von einem Normalstandard überdenken. Ableismus fusst auf der Idee eines Normalstandards und begründet daraus das Recht, Menschen auszuschliessen. Und ich würde mir deshalb wünschen, dass sich die Gesamtgesellschaft fragt, ob es diesen Normalstandard überhaupt gibt. Hier sollte man kritischer hinschauen. Und dann wünsche ich mir, dass jeder Mensch, der anderen begegnet bei sich selbst schaut, wieso man diskriminiert. Diese Selbstreflektion macht zusammen mit Weiterbildung Sinn. Im Kontext von Behinderung kommt man dann relativ schnell darauf, dass Menschen Angst haben behindert zu werden und behindert zu sein. Aus diesen Bildern im Kopf, dass das Leben mit Behinderungen lebensunwert ist, lehnt man diesen Status für sich ab. Aus diesen Ängsten heraus, entstehen Agressionen respektive Behindertenfeindlichkeiit. Ich wünsche mir also, dass alle für sich selbst Verantwortung übernehmen und etwwas weniger auf andere schauen. Das würde auch bei anderen gesellschaftlichen Themen helfen.